Kuchl-Psychologie beim Diskonter ums Eck
Der Lebensmitteleinkauf gehört ja zu den
anstrengendsten Dingen, die man in einem Hausfrauenleben so zu bewältigen hat.
Na ja, fast: Man nimmt die Ware aus dem Regal, gibt sie in den Wagen, nimmt sie
aus dem Wagen, legt sie aufs Fließband, gibt sie von dort wieder zurück in den
Wagen, holt sie aus selbigem wieder raus, um sie in eine Tasche zu geben, holt
sie zuhause aus der Tasche und verstaut sie letztendlich im Kastel. Uff. Man ist ja schließlich keine 21 mehr...
Beim Einkaufen kann man ganz schön was erleben,
sag ich Euch!Aufgrund meiner Beobachtungen beim regionalen Nahversorger kann ich die Kunden nämlich in vier Kategorien einteilen – frei nach der Temperamentenlehre:
Typ 1: der Gesellige, Unstrukturierte: Sanguiniker:
heiter, lebhaft, leichtsinnig, phantasievoll, gesprächig, optimistisch, häufige
Exzesse, wenig Skrupel, Unstetigkeit
Bevor er den Laden betritt, unterhält er sich bereits
beim Aussteigen aus dem Auto mit 2 Leuten, die zufällig neben ihm parken über
die angenehme Parkplatzordnung; bei den Einkaufswägen bittet er 3 Frauen um
Wechselgeld, 2 von ihnen fragt er um die Handynummer, um anschließend mit dem
Mega-Föhn-Verkäufer die politische Lage in Afrika durchzudiskutieren. Am
Eingang lässt er einer betagten Dame den Vortritt, wie auch vier weiteren Personen,
die den Konsumtempel gerade verlassen. Unstrukturiert streift er durch das
ganze Geschäft, kostet ein paar Weintrauben – man will ja schließlich nicht die
Katze im Sack kaufen – reißt 2 Verpackungen mit den neuesten Shorties auf, hält
sie sich an sein Gemächt und rennt fünfmal wieder aus der Kassaschlange, weil
er was vergessen hat. An der Kassa schließt er mit 2 Leuten Freundschaft auf
Facebook, während das Fließband läuft und läuft und er nicht dazu kommt, seine
Ware hinaufzulegen. Nachdem ihm schließlich die Kassiererin dabei hilft und er
auch noch von ihr die Telefonnummer verlangt, sucht er seelenruhig nach seinem
Geldbörserl, das er doch irgendwo hingetan hatte. Aber wo nur? Dass sich hinter
ihm bereits eine Schlange bis zur Tiefkühltruhe gebildet hat, schert ihn wenig,
es ist fast so, als ob er diese Menschen als sein Publikum ansieht und auf
Beifall hofft, als er endlich sein Geld findet. Er lacht lauthals über das Schild über das Kassa, auf dem steht, man müsse bei Alkoholeinkauf einen Ausweis vorweisen, wenn man noch nicht 21 sei. "Ja, sind wir denn hier in Pennsylvania?", prustet es aus ihm heraus, bevor der das Geschäft mit 4 anderen Kunden verlässt, die nicht hinausgehen können, weil ER mit
seinem Einkaufswagen quersteht und den Gang blockiert.
Typ 2: der Revoluzzer – Choleriker: willensstark,
furchtlos, entschlossen, jähzornig, Wutanfälle, leicht erregbar.
Er kümmert sich weder um Konventionen, noch um
Gesetze. Parken tut er grundsätzlich vor der Tür des Geschäftes. Und zwar
wortwörtlich. Wenn er könnte, würde er direkt ins Geschäft fahren, ein
drive-in, sozusagen, doch er muss sich mit einem Platz direkt neben den
Einkaufswägen und den Fahrräder-Ständern begnügen. Nicht auf einer markierten
Fläche – nein! Er parkt dort, wo er die wenigstens Schritte auf sich nehmen
muss, um in den Konsumtempel zu gelangen. Dann packt er sein Wagerl voll mit
Diät-Produkten und mit dem Angebot der Woche, nämlich einem Stepper samt Fitness-Uhr,
die den Kalorienverbrauch anzeigt. Fit mach mit, ist die Devise. Aber langes
Stehen und Warten hält er nicht aus, er webert ungeduldig in der Warteschlange
herum und ruft schließlich laut in die Menge, ob man denn nicht noch eine Kassa
aufmachen könne. Und dann, ja dann gibt er Gas, prescht allen anderen vor und
ist als erster an der noch immer nicht geöffneten zweiten Kassa, wo er vor sich
hin nörgelt, dass die Sackerl schief im Regal liegen, dass das Fließband
beschmutzt ist, dass die Klimaanlage ihm sein letztes Haar vom Kopf weht und
schließlich dass die Kassiererin - sollte sie jemals auftauchen – wieder alles
teurer gemacht hat. Er streitet mit ihr über vier Sonderangebote, die nicht
mehr oder noch nicht gelten, hält wütend seine Handy-App vor den Scanner, schimpft auf die „Lebensmittel-Mafia“ und alteriert sich über das Schild über der Kassa, auf dem steht, man müsse bei Alkoholeinkauf einen Ausweis vorweisen, wenn man noch nicht 21 sei. "Ja, sind denn die in den Siebzger-Jahren stehengeblieben, oder was?", würgt er noch heraus, danach steigt er in sein akkurat vor dem
Eingang geparktes Auto und freut sich, dass er durch das viele Aufregen sage
und schreibe 34 kcal abgebaut hat, wie er auf seiner neuen Errungenschaft auch
gleich ablesen kann.
Typ 3: Is-eh-schon-ois-wurscht-Typ: Melancholiker:
Misstrauen, Kritik, Schwermut, emotionale Labilität, Introversion
Dieser Typ geht schwerfällig in den Laden, sieht sich
in der Überwachungskamera, schüttelt den Kopf und resigniert ob seines
Erscheinungsbildes; er schiebt den Wagen vor sich her und testet sämtliche
Waren einmal durch, indem er sie dreht und wendet – so oft, dass ihnen, hätten
sie einen Gleichgewichtssinn, schwindlig wäre. Die Pflaumen werden abgedrückt,
der Salat wir kurz gezupft, die Äpfel hochgehoben, die Kartoffeln gerochen, die
Haferflocken umgedreht, das Fleisch ob seines Ablaufdatums kontrolliert, bei
der Marmelade wird der Vakuumdeckel leicht verschoben, bei der Milch der
Verschluss, das Toilettenpapier dreht er dreimal um die eigene Achse, danach
vergleicht er jeweils den Kilo- und Gesamtpreis sämtlicher Artikel und
kontrolliert das Ursprungsland. Aber eigentlich ist ihm das eh alles egal, denn
er als kleiner Mann kann da eh gar nichts ändern, aber man müsse trotzdem
irgendwie dahinter sein, denn alles könne man mit ihm nun auch nicht machen,
irgendwo seien Grenzen. Dann sieht er das Schild über der Kassa, auf dem steht, man müsse bei Alkoholeinkauf einen Ausweis vorweisen, wenn man noch nicht 21 seit und er denkt an früher, wo alles besser war, als er noch im
„Konsum“ einkaufen ging, da hatte man noch einen Bezug zum Filialleiter, da wusste die Kassiererin die Preise noch auswendig und die Verkäufer kannten das Alter eines jeden Kunden. Aber was
soll’s, is jo eh schon alles wurscht. 21 wird er eh nimmer werden, seine Jugend kann ihm ohnehin keiner mehr zurückgeben. Jemand bittet ihn, ob er an der Kassa
vorgehen kann, er lässt es zu, das Leben meint es ohnehin nicht sonderlich gut
mit ihm. Es braucht eine halbe Ewigkeit, bis er sein Geld herausgesucht hat,
dann zieht er tapsig von dannen.
Typ 4: der Pedante - Phlegmatiker: langsam, ruhig,
friedliebend, ordentlich, zuverlässig
Dieser Typ schwebt gleichsam durch die Flügeltüren,
richtet sich in der darüber hängenden Beobachtungskamera noch einmal kurz seine
Frisur und geht Schritt für Schritt seinen Einkaufszettel durch, den er zuhause
schon nach der Anordnung der Gänge im Geschäft aufgelistet hat. Im Einkaufswagen
ordnet er seine Lebensmittel nach dem Alphabet, wenn er gut drauf ist, sogar
nach Kaloriengehalt oder Preis. In absteigender Reihenfolge, versteht sich.
Doch an der Kassa geht er immer nach dem gleichen Schema vor: er legt die
Sachen gewissenhaft nach Verbrauchsdatum auf – das Produkt, das am frühesten
abläuft, kommt zuerst in die Hände der Kassiererin, man will ja schließlich
keine Zeit verlieren. Schlimm für den Pedanten ist ein Kunde vor oder nach ihm,
der etwa den Warentrenner schief oder gar auf den Kopf gestellt platziert hat,
doch er lässt sich wenig anmerken und greift in einer für ihn unheimlich
schnellen Bewegung dorthin und richtet wieder alles ins Lot. Er sieht das das Schild über der Kassa, auf dem steht, man müsse bei Alkoholeinkauf einen Ausweis vorweisen, wenn man noch nicht 21 sei und beginnt vorsichtig mit seiner Belehrung: "In Österreich wurde das Alter der Volljährigkeit im Jahr 1973 von 21 auf 19 und im Jahr 2001 von 19 auf 18 Jahre per Gesetz herabgesetzt!", raunzt er der verständnislos blickenden Kassiererin ins Gesicht. Ohne Erfolg. Aber er hat es wenigstens angebracht. Das Geschäft
verlässt er stets, nachdem auch schon der 15. Kunde nach ihm selbes verlassen hat
– er braucht schließlich Zeit zum Einpacken und Ordnen in der Tasche: entweder
nach Verpackungsfarbe und nach Aussehen bzw. Form – je nach Wochentag, versteht
sich.
Und ich? Was bin ich eigentlich für ein Typ?
Ich bin eine Mischform: beim Betreten analysiere ich
in der Überwachungskamera genauestens mein Gangbild, dann rieche ich mich durch
Erdäpfeln und Damenhygieneprodukte, gehe auf Schnäppchenjagd bei den
Sonderangeboten, tratsche mit den Leuten, bestehe auf den mir avisierten
Mengenrabatt, resigniere vor der Handy-App und freue mich sicher, wenn jemand
um meine Handy-Nr. fragt. Tut aber keiner. Und um einen Ausweis hat mich auch noch keiner gefragt. Man ist ja schließlich keine 21 mehr. Uff.
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