Tempus fugit - Sprechdurchfall
Tempus fugit – Leben ist Veränderung
Wie die Zeit vergeht und vor allem
wie sie sich ändert, kann man ja u.a. an der Sprache sehr gut erkennen.
Als ich jung war, gab ich meinem Erstaunen oder meiner
Verwunderung Ausdruck mit einem herzhaften „Woutti!“, was meine Kinder heute
mit „Oida!“ machen. In gehobeneren, gebildeteren Kreisen beliebte man auch ein
überraschtes „Troutti!“ von sich zu geben, das gegenwärtig mit dem Englischen
„#WTF“ (What the fu*) ersetzt wird.
Ach, was schreib ich da: Man sagt ja nicht mehr „Kinder“,
das sind jetzt ja „die kids“. Wenn ich früher „Kids“ hörte, dachte ich an die
Ziegenkitze in Omas Stall. Jetzt hab ich drei davon und habe oft Mühe, ihnen
sprachlich folgen zu können.
Des Kaisers neue Kleider
Was wir am Leib trugen und simpel als „Seelenwärmer“ =
„Pullunder“ oder „Joppn“ bezeichneten, nennt die Jugend von heute „hoody“.
Sogar „sweater“ ist out. Sie tragen nur mehr „tank tops“, „longsleeves“ und
„funktionswäsche“. Was um alles in der Welt ist das?
Ich glaub, damit gehen sie dann in die Mucki-Bude und machen
dort „Konga“ und „Jagua“, um einen „jungle body“ zu bekommen. Wir waren
seinerzeit einfach im „Fitness-Zenter“ und machten „Aerobic“. Also, ich nicht
wirklich mit meinem Hinkebein. Ich trieb mich mehr in den LKHs und auf den
Physiotherapien herum. Mit Grobstrickstrumpfhose und Seelenwärmer. Aber das ist
eine andere Geschichte.
Und die Zeiten, in denen mich meine Oma erstaunt fragte:
„wos host dir gekauft? An Tischherd?“, als ich mit einem neuen T-Shirt heimkam,
sind auch längst vorbei.
Chillig oder Chili?
Wenn der Jugend etwas gefällt und gut funktioniert, dann
„funzt“ das; wenn sie abends fortgehen, müssen sie „vorglühen“, was ich
zugegebener Maßen auch immer mache. Ich trinke dann jedoch ausschließlich Kaffee, sonst schlaf ich
ja um halb 10 an der Bar ein. Was heißt „Kaffee“ … einen „Latte Chiligeschmack“, „Macchiato mit Gulaschodeur“, „Ristretto geräuchert“
oder „Irish Guinnessflavour“ trink ich da. Mit Geschmacksrichtungen, davon konnten wir früher nur träumen.
Die Kids „chün“(=“chillen“) auch sehr viel, was eigentlich
dem gelangweilten „woutti/troutti, is mia fad, wos moch ma denn?“ der 80er entspricht.
Ein Mittagsschlaferl auf der Eckbank ist plötzlich ein
„powernapping in der lounge“, die Mama, die früher an der Abwasch stand, heißt
heute „gschirrli“, gebadet wird in „guter Laune-Fluid“, „Harmonie für den
Abend-Bubbles“ oder „prickelnd durch Nacht-Kugeln“ - und nicht mehr bloß im
fichtennadelduftenden „Bade-Das“ vom Lebensmitteldiscounter in der
Bezirkshauptstadt.
Die gute alte Zeit....
Keinerlei Weiterentwicklung erfuhren allerdings die
Ausrufungen „Do geht’s um – im Konsum“, weil es selbiges Geschäft, das mich
quasi ab der Mutterbrust großzog, nicht mehr gibt, „bis morgn um drei, in der
Vogelscheißerei“ und „servas, griaß di, geh ham und daschiaß di“. Man ist heute
einander offensichtlich freundlicher gesinnt. In den Achtziger-Jahren war die
Aufforderung zum Suizid scheinbar noch kein „no-go“. Auch jegliche andere
Tötungsarten konnte man sich, sogar auf Buttons gedruckt, an den Revers heften:
„wer Popper ist und Vespa fährt, ist nicht einmal die Kugel wert.“ Na bum.
Heutzutage tut man höchstens noch „poppen“, aber das hat mit den selbstverliebten
Typen auf ihren Mofas nur bedingt zu tun.
Bei manchen Sachen sind die Kitz von heute also eindeutig
fortgeschrittener und sie warnen sich im Winter sogar gegenseitig: „don’t eat
the yellow snow, bro!“ – wir hingegen haben uns damals richtig reingelassen in
die Materie: kristallisierter Natursekt hat ja durchaus auch seinen Reiz… Sah
aus wie ein „Zitronenkracherl“. Wähhhh
Fahnenflüchtig
Und wenn man in der „Mittelschui“ (= heute „Gymi“, nicht zu
verwechseln mit „NMS“, was eher wie eine Krankheit als eine Bildungsanstalt
klingt) einen Rock oder ein Kleid anhatte, wurde man von seinen männlichen
Klassenkollegen quasi sexuell belästigt mit der Frage: „liebst du Österreich? –
dann ‚Fahne hoch!‘“, was ein zeitgleiches Hochreißen des Rockes mit sich zog
und man dann in Schlüpfer und Grobstrickstrumpfhose vor der Klasse stand. Ich
kann nur sagen: #metoo. Da hat einen der „Seelenwärmer“ auch nicht mehr
rausreißen können.
Das hat mir nicht gefallen. Wenn einem aber etwas gefällt,
dann nennt man das jetzt „grenzgenial“, obwohl „woutti, du host an Schuss!“ der
eigentlichen Aussage oft näherkommen würde.
Exit(us)
Grenzgenial ist auch, dass bei mittlerweile schon fast allen
Frauen der Liebste, den sie einst als „der Meinige“ bezeichneten, jetzt nur
mehr kurz und bündig zum „Ex“ mutiert ist.
Aber so ist das Leben. Veränderung eben. Alles ist gut –
solange man von seinem Partner nur nicht als „Mama“ oder „Vati“ bezeichnet
wird. Da bin ich dann doch lieber eine „Exe“ mit einer nach Fichtennadeln
duftenden Grobstrickstrumpfhose, die um halb 8 auf der Couch einschläft, weil
ihr Jungle body wieder mal nicht hält, was er verspricht. Troutti!
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