Sisyphus‘ Schwester. Die erste Kugel.

Kennt Ihr Sisyphus? Das ist der, der die Götter verärgert hat und eine riesige Kugel einen Berg hinaufschieben muss. Sie entgleitet ihm aber ständig und rollt zurück, und er muss immer wieder von vorne anfangen und kommt mit dieser Kugel nie oben an.

Ich fühle mich mit diesem Typen momentan sehr verbunden. Ich glaube, wir sind verwandt. Geschwister möglicherweise.

Ah ja! Und DREI Kugeln sind es momentan, die ich zu rollen habe – man gönnt sich ja sonst nix:

Die erste fette Kugel, die auf den Berg hinaufwill, ist eine sanierte Wohnung, die ich vor ein paar Monaten übernommen habe. Sie ist grundsätzlich super: helle Räume, moderne Türen, weiße Wände, Infrarot-Heizung, schöne Küche, großzügiger Balkon, ruhig gelegen, nette Nachbarn. Soweit der erste Eindruck und die Theorie.

In der Praxis ist es nun aber so, dass sich bei näherer Betrachtung die Infrarot-Heizung als unzulänglich für den kalten Winter erweist, die schöne weiße Eingangstüre entweder eine Ritze von einem halben Zentimeter aufweist oder gar nicht mehr zugeht, der Boiler auf sämtlichen Einstellungs-Stufen ausschließlich kaltes Wasser von sich gibt und der versprochene Gefrierschrank noch immer nicht geliefert ist. Außerdem gibt es im Kellerabteil keinen Strom, das Schlafzimmerfenster schließt nur in einem einzigen gefinkelten Winkel und falls man sich ein Paket senden lässt, kann es vorkommen, dass dies vor der Wohnungstüre auf seltsame Weise verschwindet. Falls es sich dabei um ein Parfum handeln würde, könnte man möglicherweise mal einen Nachbarn - durch das Stiegenhaus huschend - am Duft erkennen…



Man könnte das Ganze aber auch auf sich beruhen lassen und sich denken: das, was ich an Strom zu viel für die Infrarot-Heizung ausgebe, spare ich beim nicht vorhandenen Kellerlicht und beim Boiler. Und die Lebensmittel, die ich in den Tiefkühler geben würde, kann ich getrost neben der zugigen Wohnungstür lagern, ohne die Kühlkette je zu unterbrechen.

Aber damit gebe ich mich natürlich nicht zufrieden. Ich will die Sisyphus-Kugel ja raufkriegen auf den Berg. Was mache ich also? Ich telefoniere mit diesem und jenem, ich schreibe Mails, ich bin geduldig, ich warte ab, ja, natürlich, jetzt waren die Feiertage. Da geht nicht viel. Und ja, ich weiß, einige Leute sind jetzt krank. Und überhaupt überall der Personalmangel. Ah ja, und irgendein Schrauberl steckt irgendwo auf einem unabgefertigten Containerschiff in China und kann nicht geliefert werden. Ja, ja, ich weiß. Und die für die Wohnung zuständige Firma ist ja eh sehr freundlich, sehr kulant, sehr sympathisch und die tun und machen ja eh… ja, ja.

Letztens war dann der Techniker wieder mal da. Er zeigte mir beim Bücken seine sexy Marken-Unterhose und musste danach feststellen, dass er kein Werkzeug dabeihatte. Kein Werkzeug! Er erscheint, um die Tür einzustellen und eine Dichtung anzubringen und kommt ohne Werkzeug. Träum ich das alles? Nachdem er sich welches g e k a u f t hatte, zurrte er die Türe in Position und brachte neue Dichtungen an.

Jetzt ist es dicht, das Türchen. So dicht, dass man es kaum aufbekommt. Und wenn, dann nur mit großem Lärm. Und wenn man einen Termin hat, muss man ungefähr eine halbe Stunde vorher schon probieren, ob man heute eh aus der Wohnung kommt, weil die Türe am Rahmen pickt. Vielleicht hat der gute Mann statt einer Dichtung ein doppeltes Klebeband verwendet und deshalb gar keinen Gedanken an ein Werkzeug verschwendet… Man weiß es nicht. Aber der Techniker ist stets freundlich, sympathisch und nett. Und sexy.

…Und mein Kugerl wird größer und schwerer. Und rollt. Bergab. Immer wieder bergab.

Fortsetzung folgt.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Psychotherapie in der Schneiderei

Nachtblind - von Hasen und Karotten

Early bird