Läuft bei mir - sagt das Horoskop

In der Genesungsphase nach dem phänomenalen Überknöcheln meiner beiden Fußgelenke schreiben wir Woche zwei. Die Haxen sind nach wie vor zu nix zu gebrauchen, spielen alle Farben des Regenbogens durch und sind geschwollen. Die Körperpflege und „das bisschen Haushalt“ kann ich in eingeschränktester Form am frühen Morgen verrichten, danach nehmen Geschwulst und Laune direkt proportional zu bzw. ab.

Keinesfalls fehlen darf bei meiner Morgenroutine allerdings das Horoskop in der Zeitung. Nicht dass ich viel davon halten würde, lesen tu ich es dennoch tagtäglich. Und irgendwie prägen sich diese kurzen Sätze scheinbar doch mehr ein als mir lieb ist. Also müssen sie doch stimmen, oder?

Montag: „Die Angst, etwas falsch zu machen, hindert Sie am spontanen Handeln. Freunden Sie sich mit dem Gedanken ruhig an, dass niemand perfekt sein muss. Das macht das Leben bunt.“



So ein Blödsinn! Ich habe keine Angst, etwas falsch zu machen. Im Gegenteil. Ich bin arrogant. Ich mache keine Fehler. Die anderen, DIE machen die Fehler – unfassbar! Ich kann mich nur darüber ärgern. Grün und Blau ärgern tu ich mich über DIE ANDEREN. Und violett. Wie man gut an Rist, Wadln, Knöcheln, Fußballen und Zehen sehen kann. Alle Farben hab ich mich schon geärgert, aber dass dies „das Leben bunt macht“, hab ich noch nicht bemerkt. Ständig machen DIE ANDEREN etwas falsch.

Sie schreiben das Falsche, sie sagen das Falsche, sie haben die falschen Werte, die falschen Meinungen. Und manche Leute beginnen sogar schon um 12:59 Uhr mit dem Rasenmähen. Die kann ich aber nicht dingfest machen, weil es dermaßen lange dauert, bis ich mit meinen Orthesen vom Bett beim Fenster bin. Und dann lärmen sie inzwischen schon zur erlaubten Zeit und ich hab mich wieder umsonst aufgebürstelt.

Zum Grün- und Blau-Ärgern bin ich noch fit genug, für ein buntes Leben scheinbar noch immer nicht.

Dienstag: „Sie ruhen heute in sich und erfreuen sich bester Gesundheit und Laune. Das färbt auch auf Ihre Mitmenschen ab. Ein Treffen mit Freunden verläuft fröhlich und ausgelassen.“



Ah jo! Ich erfreue mich also bester Gesundheit … und Laune. Wie interessant. Nach wie vor dauert es eine halbe Ewigkeit, bis ich von A nach B komme, Stiegen steigen ist ein schmerzvoller Kraftakt und die Haare wachsen mittlerweile an Stellen, wo ich mich nicht erinnern kann, dort jemals welche gehabt zu haben. Ich bin meist eh eine Tapfere, aber dieser Zustand verdirbt mir jetzt echt meine Laune.

Ein paar Freunde gehören da angeraunzt, da führt kein Weg vorbei. Und alle wollen sie mich trösten. Wie es schon in meinem Tageshoroskop zu lesen ist, „verlaufen diese Begegnungen fröhlich und ausgelassen. Die Erste will mich gleich ganz ausgelassen in irgendein Krankenhaus transportieren, weil eine Zweitmeinung vonnöten sei, die Nächste tut fröhlich kund, dass man nur mit CT, MRT, OP oder O.B. das Ganze in den Griff kriegen würde und die Dritte empfiehlt voller guter Laune eine Eigen-Pipi-Kur. Schiffen gegen die Schwellung. Aus grün-blau-violett mach gelb! Jawui!

Mittwoch: „Wenn Sie sich nicht Hals über Kopf verlieben, müsste etwas nicht mit rechten Dingen zugehen. Dieser Tag hat es in sich. Aber erwarten Sie dennoch lieber nicht zu viel.“



Na wenigstens etwas! Zuversichtlich starte ich in den Tag. In wen könnt ich mich heute verlieben, in wen bloß? Der Zeitungsausträger ist schon bei dunkler Nacht wieder verschwunden, der Briefträger ist eine Frau und der Paketdienst wirft seine Sendungen mittlerweile kommentarlos in den Hintergarten. Die männlichen Nachbarn kennen mich schon, weshalb sie als potentielle Liebhaber ausfallen und außerdem ja glücklich verheiratet sind (LOL) und das letzte Männlein, das sich auf mein Grundstück verirrte, war besagter B’soffener mit Filzhut, der über den Gartenhang kullerte und jeglichem Kennenlernen wenig aufgeschlossen war.

Es wird bald 20:00 Uhr, jetzt geh ich dann schlafen, weshalb ich richtig Panik kriege. Ich muss mich heute noch verlieben!!! Eine Flirt-App ist der letzte Rettungsanker, und bald findet sich ein armseliger Tropf, der auch nicht lange fackelt und mich bereits nach drei Sätzen „meine Kleine“ nennt. Mich! Ein Prachtweib von gefühlten 2 Metern nennt er „Kleine“, mich, eine starke, selbständige Frau, verniedlicht er als was Kleines an seiner Seite! Na bitte net DER! Das kann nicht wahr sein.

Und in diesem Moment bin ich dem wirklich kleinen, fetten Engel mit seinen blöden Pfeilen richtig dankbar, dass er mich für heute verschont hat mit seinen Schüssen. Denn hier geht etwas ordentlich nicht mit rechten Dingen zu, das kann ich Euch sagen.

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