Advent, Advent, ein Lichtlein brennt


Die Kinder zünden ganz begeistert nicht nur die zweite Kerze vom Adventkranz an, sondern setzen auch ein laut klingelndes Engerlkarussell in Gang, das ich noch von meiner Großmutter besitze und dessen Prinzip es ist, durch Kerzenwärme kleine Engerl, die an ihren Gesäßen lange Stangen angeheftet haben, zum Rotieren zu bringen, wodurch ein klingendes Geräusch entsteht. Und eine Duftkerze, eine Duftkerze zünden sie an, eine Duftkerze, die einen Gestank verbreitet, dass ich nah einer Ohnmacht bin, noch bevor wir das erste Lied anstimmen. „Kling Glöckchen Klingelingeling.



Missmutig folgen die Kids meiner Bitte, doch wieder mal ihre Musikinstrumente (eine verstimmte, verstaubte Gitarre und eine Blockflöte, die sich in der Mitte immer wieder in ihre Einzelteile auflöst) aus den hintersten Winkeln hervorzuholen und ein bisschen darauf zu spielen. Es folgt ein Streit, welches Licht noch aufgeschaltet bleiben sollte und welches man beruhigt abdrehen würde können, ohne komplett im Dunkeln zu versumpern – denn der zweite Advent ist eben noch nicht sehr reich an Beleuchtung. Wir einigen uns, dass das Wohnzimmerlicht an und die Türe offenbleibt, um wenigstens einen Hauch von Besinnlichkeit zu erzeugen. „Wir sagen euch an….

Die erste, die aufbegehrt, ist meine Tochter, denn akkurat in dieser Minute hat sie eine Heißhungerattacke und besteht darauf, sich in der Küche ein Abendmahl herzurichten. Aber wie? In der Dunkelheit findet sie weder Brot noch Messer. Sie schnappt sich einen Apfel und schmatzt trotzig drauf los.

Und mich nervt das Engerlkarussell, wie können drei Engelpopscherl, wenn sie heiß sind, bloß so ein nerviges Geräusch erzeugen! „Süßer die Glocken nie klingen….“

Inzwischen hat mein Jüngster den unteren Teil der Blockflöte verschmissen, taucht kurz unter den Tisch in die vollkommene Finsternis, um Teil 2 des Instruments zu suchen, schießt am anderen Ende knapp neben der Tischkante wieder hoch und hält einen riesigen Staubwuzel, aufgespießt am zweiten Blockflötenteil, in der rechten und ein lange verschollen geglaubtes Donald Duck-Buch in der linken Hand. Ich sollt mal wieder putzen und aufräumen, aber hat das einen Sinn in dieser dunklen Jahreszeit? Sieht eh keiner. Na ja, fast keiner. Ich befreie die Blockflöte vom Lurchwuzel, lasse das Donald Duck-Buch wieder unter dem Tisch verschwinden, um jegliche Ablenkung zu verhindern und weiter geht’s. Ihr Kinderlein kommet

Mein Ältester kann sich gar nicht aufraffen und liegt gequält mit seinem Handy auf der Eckbank: „Na gehhhh, Mama, nur noch die eine WotSepp-Nachricht, i bin eh glei fertig!“

Schmatz Schmatz aus der einen Ecke, Piep Piep von der Bank und verzweifelte Versuche, die Flöte wieder zusammenzubauen vis a vis von mir. Außerdem ist mir schlecht. Wie kann eine Kerze SOWAS von sich geben. Ich bin kurz davor, das Licht aufzudrehen und mal ordentlich in die Runde zu brüllen, aber ich beherrsche mich. Einmal versuche ich es noch liebevoll, einfühlsam, bittend, flehend, verzweifelt…. und beginne mit krächzender Stimme das nächste Lied. „Lasst uns froh und munter sein“. Mein Ältester legt sein Handy weg, offensichtlich ergriffen vom schönen Moment – und stimmt übergangslos ein Parallel-Hustkonzert an. Das Töchterchen, das noch immer schmatzt, als ob sie 2 Tage lang nichts gegessen hätte, spukt angeekelt ein kleines faules Stückchen gleich neben das Engelskarussell, das immer schneller geworden ist, weil die Kerzen immer heißer und die Flammen immer höher wurden. Die Engerl mit ihren Stangen im Popsch sausen an mir vorüber, die Klangkulisse wird unerträglich. Jingle Bells, jingle bells

Nach einer gefühlten guten Stunde haben wir noch immer keinen Flötenton gehört – ich glaub, mein Jüngster übt sich in Prokrastination, weil er das Spielen wieder verlernt hat; meine Tochter beendet den Apfel mit einem herzhaften Rülpser, gerade als ich „Schneeflöckchen Weißröckchen anstimme und der Älteste hustet und hustet.

Ob das noch was wird mit der Besinnlichkeit? Es ist ja erst der zweite Advent, tröste ich mich selber und denke an Karl Valentin: „wenn die stille Zeit vorbei ist, dann wird’s auch wieder ruhiger.“

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