Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett


Mein Alltag hat ja so seine Tücken: ich humple von vorne nach hinten und von oben nach unten, manchmal humple ich auch auf die Seite – aber nur ganz selten. Von der vielen Humpelei bin ich ständig schlapp. In der Fachsprache wird dies zwar „erhöhter Muskeltonus aufgrund der Spastik“ genannt, ich würd jedoch simpel dazu sagen: „eigentlich bin ich immer müde, nur wenn ich schlafe, geht’s so halbwegs“. Dies äußert sich dahingehend, dass ich, wenn ich mich – selbst im öffentlichen Raum -  in die Horizontale begeben würde, auf der Stelle einschliefe. Da muss man dann etwas vorsichtig sein: Parkbänke, Kühltruhen in Großmärkten, gynäkologische Stühle, Bankreihen in Wartezimmern, Barhocker u. ä. ziehen mich magisch an und sind somit potentielle Gefahrenzonen für ein power-napping. Und frage nicht, was mir auf fremden Couches und Betten schon alles (nicht) passiert ist, weil ich vorzeitig wegschlief! Zu Geburtstagen und anderen Anlässen bekomme ich deshalb schon in jahrelanger Tradition Schlafmützen oder flauschige Bettsockerl, Wecker, Schnarchklammern oder Schlafhörnchen als Wink-mit-dem-Zaunpfahl-Geschenke. Schlafen ist nicht sexy, schlafen ist out, ich weiß: man muss permanent verfügbar, fit und dynamisch durchs Leben gehen. Da gehört schlafen nicht dazu.

Diese Tatsache erschwert natürlich auch eines meiner Hobbies enorm: das televisionäre Reinziehen von englischen Krimis. Ich liebe sie! Ältere Damen, die in ihren 5-Uhr-Tee Arsen mischen, knorrige Farmer, die quer über ihre Schafweiden ballern, Blümchentapeten, rosenumhüllte Cottages, Pferderennen, Linksverkehr, rosa Toilettensitze. Und immer eine Leiche, oder zwei oder mehrere. Das weiß ich nämlich nicht so genau, denn bald nach der Titelmelodie und den ersten englischen Namen, die mich völlig verwirren, kommt das Sandmännchen zu mir zu Besuch. Dagegen sträube ich mich natürlich, weshalb ich dann im Halbtaumel etwa ein Läuten an der Haustüre höre, das mich wieder in die Wirklichkeit holt. Da ich allerdings nicht unterscheiden kann, ob ich dies geträumt habe, es im Film vorkam oder real an MEINER Haustür geschah, hüpfe ich voller Entsetzen auf, richte mir die Haare, schnalle meinen Büstenhalter um, entferne meine Schnarchklammer und humple schlaftrunken zur Haustür. Könnt ja ein Nachbar sein, dem die Eier ausgegangen sind. Oder ein potentieller Mörder. Das kann man nie wissen. Oder beides auf einmal. In den meisten Fällen, ja man kann sogar sagen: noch NIE war jemand an MEINER Tür. Es ist jedes Mal die Glocke am idyllischen Cottage der alten Lady im TV. Aber dieses Missverständnis dient nur zu meinem Besten und beschert mir wieder helle Momente, in denen ich – sehr wach durch den Gedanken an den regionalen mordenden Eiermann - die nächsten 7 Minuten weiter fernsehen kann und guter Hoffnung bin, dass ich sogar noch die erste Leiche wach erlebe. Ein neuerliches Abtriften ins Schlummerland beginnt, doch dann plötzlich ein heller Signalton, das muss mein Handy sein, eine Wot-Sepp-Nachricht etwa, da spring ich wieder auf, die flauschigen Bettsockerl geben mir extra Schwung um die Kurve in die Küche, wo ich erwartungsvoll auf das stille, dunkle Handy starre und erkennen muss, dass es sich bei dem Piepston um einen rechts unten im Fernseh-Bild eingeblendeten Teaser für den nächsten Film handelt. Ich schwinge meine lahmen Hufe wieder retour in die Liegestatt und es dauert keine 10 Minuten, bis ich endgültig im Traumland verschwunden bin. 


Bin ich im falschen Film?

Nun kenne ich also von sämtlichen Krimis die Toten – aber NIEMALS den Mörder. Und es ist selbst im schönen England nicht immer der Gärtner, das lasst euch mal gesagt sein. Aber ich bin ja eine Ausgeschlafene und weiß mir auch in solchen Situationen zu helfen: dadurch, dass ich nämlich gegen vier Uhr früh bereits ein Schlafpensum wie ein Baby aufzuweisen habe und um diese Zeit putzmunter bin, habe ich entdeckt, dass man meine Krimis im frühen Morgengrauen auch spielt, allerdings nicht als Wiederholungen, sondern schon im Vorhinein. Was schlecht ist. Sehr schlecht, das gebe ich zu. Ich schaue mir nun also am Morgen eines bestimmten Tages das ENDE eines Krimis an, merke mir bis zur Dämmerung, dass der knorrige Farmer mit der Schnapsnase der Mörder ist, weiß aber nicht von wem, da ich erst am Abend desselben Tages den ANFANG des Films und somit die Leiche zu Gesicht bekomme.

Und manchmal ist es auch umgekehrt. Da irre ich mich im Tag und in der Stunde und bin somit – so schnell kann ich gar nicht schauen – im falschen Film. Da sind dann die Toilettensitze, die in der Früh noch rosa waren, am Abend plötzlich grün, der knorrige Farmer sitzt in Frauenkleidung beim 5-Uhr-Tee und ballert auf seinen Corgi, das Cottage ist eine abgef*te Wohnung in London und von Blümchentapete keine Spur mehr. Dann wird die Sache schwierig für mich, weshalb ich dann absichtlich vor dem TV-Gerät herumhumple, um so richtig müde zu werden und den lieben Herrgott um einen baldigen Schlaf bitte. Solchen intellektuellen Herausforderungen bin ich nämlich nicht mehr gewachsen. Good night, my darling.

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