Wohnst du schon oder lebst du noch?

 

Eine Ausfahrt ins unmögliche Möbelhaus aus Schweden. Nicht ganz so weit weg und mit zwei Miezen an meiner Seite. Die eine will unbedingt einmal im Jahr dorthin, um Kerzen und Servietten zu kaufen, die andere ist auf der Suche nach Anregung und schönen Vasen. Und mir is eigentlich ollas wurscht – ich fahr halt mit, zwecks der Gaudi.

Wir starten mit einem Frühstück, einem unglaublich günstigen, sodass ich bis zum Schluss glaube, hier bei „versteckter Kamera“ zu sein und am End noch eine horrende Summe aufzahlen zu müssen. Dem ist aber nicht so und wir kommen, beseelt von unseren Gesprächen und laut kichernd, ungeschoren an der Security vorbei auf die riesige Möbel-Ausstellungsfläche. Einzig durch den Notausgang lassen sie uns nicht gehen und wir umrunden noch einmal das ganze Frühstücksbuffet, um bei den Korbsesseln und Tischerln anzukommen. Dies sollte schon ein erster Hinweis auf die Größe des Geschäftes und den noch vor uns liegenden Fußmarsch sein.

Wir haben Spaß. Wir setzen jedes Kuscheltier auf unsere Köpfe oder klemmen es uns zwischen die Beine (sorry, Kinder!); wir machen Selfies, verrücken Stühle, lassen uns in nordische Welten verführen, träumen uns in so manches Schlafzimmer mit so manchen unaussprechlichen Sehnsüchten und rätseln, ob man die eine oder andere Deko nicht selber machen könnte.

Nach gefühlten Stunden sind meine Energiereserven aufgezehrt, der Kopf schwer, das Kreuz im A…, und ich bin mir sicher, dass wir unsere Runde bald beendet haben würden, bis ein Wegweiser vor uns aufscheint, der besagt, dass wir uns in Raum 6 von 27 (!) befänden. Von nun an geht‘s bergab. Bei mir auf jeden Fall: ich schalte in der Küchenabteilung auf Durchzug, bekomme erste leichte Depressionen, als wir durch die kilometerlange Schrankfronten-Ausstellung gehen, werde von den unzähligen Töpfen und Käsereiben beinah in den Wahnsinn getrieben und kann keine Schöpflöffel und Knoblauchpressen mehr sehen. Bei den Messern kommen mir erneut unaussprechliche Gedanken – aber nicht die durchaus prickelnden wie bei den Himmelbetten. Meine physische und psychische Stabilität gerät spätestens beim 7.328sten weißen Trinkglas ordentlich ins Wanken.



Nicht so bei meinen zwei Kolleginnen. Die blühen richtig auf: Die eine macht auf jedem auch noch so kleinen Küchenhocker eine Sitzprobe, bemisst den zur Achse der Popoauflagefläche indirekt proportional stehenden Grad der Lehne und zieht daraus Schlüsse für die Neigung der Wirbelsäule in Bezug auf Becken- und Fußstellung unter Berücksichtigung der Nackenausrichtung. Und die andere dreht jede auch noch so große, mit Plastikblumen gefüllte Vase auf den Kopf, um zu sehen, ob man diese auch als Trinkgefäß verwenden könne. Für Gin, schlägt sie vor.

Nur so zur Info: Wir befinden uns inzwischen in Raum 7 von 27….

Nach der Kerzenabteilung, wo ich mir die Zeit vertreibe, indem ich Hohlkreuz-Vermeidungsübungen samt Becken-nach-vor-Schiebungen übe und weiter meinen schlüpfrigen Schlafzimmer-Gedanken nachhänge, müssen nur noch die Servietten-, Vorhänge-, Polster- und Bilderrahmenabteilungen durchwandelt werden und schon sind wir – schwups! – in Gang 14 von 27.

Die restlichen Gänge befinden sich in der Selbstbedienungsebene, wo ich jedoch bereits im Delirium bin, weshalb ich wenig davon mitbekomme. Meine Miezen haben ungebrochenen Elan und bereuen es bereits, sich nur einen Einkaufswagen geteilt zu haben, sie laufen hin, sie laufen her. Dies haben sie vergessen, jenes übersehen, dort scheppert irgendein Bilderrahmen, hinten klemmt irgendein Zippverschluss-Sackerl, bald ist der ideale Stuhl gefunden, ein paar Laternderl, Ösen und Schlaufen fehlen auch und für die schwedischen Kekse findet sich sicher noch ein Platzerl.

Alles haben sie gefunden und eingekauft. Alles. Nur die Kerzen und Servietten, weswegen wir diesen Ausflug gemacht haben, haben sie vergessen.

Und ich? Ich hab mir eine fette Blumenvase gekauft und mit Gin gefüllt. Danke für die Anregung, Mädels, und für den darauf folgenden entspannten Abend. So eine Vase kann echt was!

Kommentare

  1. Die Firma freut sich sicherlich über die für sie kostenlose Werbung. Aber das Foto übermittelt fröhliche Stimmung und das ist schön!

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    1. die hinkende Lotta25. März 2024 um 07:00

      Wer aagt, dass die Werbung kostenlos war? 😅🤣

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