Rosenkranz vs. Sex, Drugs and Rock'n Roll

 

Ich war ein nicht sehr entspannter Teenager. Es hätte mich nervös gemacht, in der Schule nicht genug Leistung zu bringen oder meinen Eltern gegenüber schlimm, frech oder unfolgsam zu sein. Und es schwang immer die Angst mit, ausgelacht zu werden. Ich mied jegliche Menschenansammlungen wie Zeltfeste, Schulpartys oder Diskobesuche, ich hasste es, mit dem Mainstream zu schwimmen, sowohl was die Mode betraf, die aus Fuchsschwänzen als Schlüsselanhänger, Miniplis oder Pailletten-Netz-Shirts bestand als auch was Paarungsrituale anging, wonach man den Anleitungen der „Bravo“ zu folgen hatte und sich auf Biegen und Brechen mit spätestens 14 deflorieren lassen musste. Wenn möglich von einem Fuchsschwanzträger mit Vokuhila-Frisur und Jogging Highs. Igitt.

Mich interessierten auch keinerlei Prestigeobjekte wie Mopeds, Lacoste-Poloshirts, Goldketterl oder Autos, ich wollte mich in der Gesellschaft einfach nur durchschlängeln und in Ruhe gelassen werden. Außerdem war ich ständig auf der Suche nach etwas Sinnvollem, Höherem.

Und da kam sie mir gerade recht, die „katholische Jugend“. Geprägt durch ein religiöses Elternhaus, in dem zwar ein Glaubenskrieg zwischen dem katholischen Vater und der evangelischen Mutter tobte und böse Worte fielen wie „ihr Lutherischen, ihr, … mit euren 376 Strophen bei jedem Lied!“, suchte ich Zuflucht in der örtlichen katholischen Jugendgruppe. Was sag ich!? Ich gründete sie quasi. Na ja, also ich war von Anfang an dabei, es fand sich ein erklecklicher Haufen an Gleichgesinnten, die den Samstagabend eben nicht im Cola-Rot getränkten Disko-Wechselschritt verbringen wollten, sondern sich gerne über Gott und die Welt unterhielten.

Das Cola-Rot tranken wir anschließend im Dorfgasthof. Oder auch nur ein Mineral Zitron, bevor wir uns samstags um 22:00 Uhr gegenseitig nach Hause begleiteten. Mich hat man immer als erstes heimgebracht, anschließend zogen die potentiellen Liebespärchen von einem Heimathaus zum Nächsten und kamen und kamen nicht auf den Punkt. Denn außer zu intensiven Gesprächen ist es wohl auch unter den anderen testosterongesteuerten Ministranten und Jesussandalen tragenden, Pauke schlagenden Jungfrauen nie zu etwas Teuflischem gekommen.

Ich kannte alle Jugendorganisationen in der Mur-Mürz-Furche, war bei jedem Katholikentreffen dabei, besichtigte sämtliche Wallfahrtskirchen der Umgebung, fuhr auf Sommer- und Winterlager der katholischen Glaubensinformation, war mit sämtlichen Priestern, Fratres und Padres per Du, beherrschte das Sprachengebet, verbrachte Silvester mit Bibellesen und Rosenkranzbeten statt Sektschlürfen und Walzertanzen, erhielt zu Ostern die Absolution bei der heiligen Beichte statt eines angesoffenen Zungenkusses beim Osterfeuer und machte Hostienbackkurse statt Petting.

Nur den Papst sah ich nie.

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