Es gehört viel mehr gemeckert
Wie allgemein bekannt, gab es in den 70er und 80er Jahren ja noch keine Handys. Es waren gerademal die Telefone im Graben angekommen. Aber auch nicht überall. Bei uns natürlich nicht. „Mia brauch’n koa Tölefon!“, stießen meine Eltern des Öfteren vehement aus, und ich staunte nicht schlecht, als meine Mama das erste Mal irgendwo von einer Telefonzelle meinen Vater in der Arbeit anrief und dieser wirklich weit, weit weg war. Ich begann ihn nämlich nach dem Gespräch hinter der Zelle in den Brennnesseln zu suchen, und es kostete meine Mutter viel Überzeugungsarbeit, dass Vati nicht im Gebüsch hockte, sondern brav an seinem Schreibtisch.
Mein
Vater erzählte auch immer wieder die Anekdote von meinem Großvater, der
seinerzeit die gesamte Straße zur nächsten Telefonzelle händisch ausgeschaufelt
hatte, als meine Mutter zu mir in den Wehen lag, damit mein Vater die Rettung
habe rufen können. Lange wurde daraufhin steif und fest in der Familie
behauptet, man bräuchte so ein Ding nicht, denn man habe auch ohne Fernsprecher
das Kind zum Schaukeln gebracht und auch schon andere brenzliche Situationen
gemeistert.
Es
gab in meiner Kindheit natürlich auch kein WotSepp, keine Mails oder gar
soziale Netzwerke. Wenn wir miteinander spielen und nicht unbedingt lästig alle
fünf Minuten beim anderen Haus anläuten wollten, wussten wir Nachbarskinder uns
anders zu helfen. Wir machten, ohne jemals von der Pfeifsprache der
Kanareninsel La Gomera gehört zu haben, es deren Bewohnern ähnlich und
entwickelten über die Gärten hinaus eigene Laute, um uns zu verständigen.
Tierlaute, um es zu präzisieren. Ziege und Pferd, manchmal auch Hahn und Katze.
Wobei: die Katze hörte man am schlechtesten, deren Miauen versickerte oft schon
an der eigenen Fichtenhecke.
Danach
hieß es abwarten. Hatte sie es gehört und nur geantwortet, weil sie zufällig im
Garten war oder wartete sie schon darauf, dass auch ich endlich mit dem
Mittagessen fertig sein würde und fürs gemeinsame Spielen bereit sei?
Wenn
ihr Wiehern lauter wurde, wusste ich, dass sie sich im Galopp auf den Weg zu
mir herüber gemacht hatte, wenn sie hingegen mit einem Miauen antwortete,
konnte man davon ausgehen, dass sie ins Haus zurückmusste und keine Zeit für
mich hatte.
Damals
sparten wir uns unnötiges Schicken von Emojis oder doofen, zeitraubenden
Filmchen und hatten unglaublich gut ausgeprägte Stimmbänder, da wir ja ständig
in Übung waren, ich habe jetzt im Erwachsenenalter mal versucht, die Tiere
nachzuahmen und war sehr enttäuscht von dem, was da aus meinem Rachen drang.
Ich werde dies wieder präzisieren und demnächst in unserer Siedlung salonfähig
machen.
Ein
Telefon bekamen wir übrigens erst dann, als ich 18 war und nach Wien zog, denn
in der Zwischenzeit hatten wir ja unsere Nachbarn. Sie alle waren bereits mit richtigen
Telefonen ausgestattet und wurden zum Überbringen jeglicher Botschaften und
großen Lebensereignisse wie Todesfälle oder bestandene Prüfungen auserkoren.
Ein
weiterer Vorteil von nicht permanenter Erreichbarkeit war, dass ich mich von
meinen Mitschülerinnen nicht ins Bockshorn jagen lassen brauchte, wenn sie sich
gegenseitig am Telefon vor einer Schularbeit mit ihren Fragen und Kalamitäten
in den Wahnsinn zu treiben versuchten. Ich ging blauäugig zu den Prüfungen und
was ich konnte, konnte ich, der Rest war mir egal, nach dem Motto: „was ich
nicht weiß, macht mich nicht heiß!“
Als
ich aber in die Großstadt zog, bekamen dann meine Eltern aber wirklich Muffensausen,
denn sie wussten, dass mein Krähen und Wiehern den Semmering nicht passieren
würde. Daran lässt sich wenig rummeckern und es wurde blitzartig ein Komforttastentelefon
angeschafft.
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