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Omis Vitrine

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  Wenn ich meine Omi besuchte, machte ich es mir stets auf einer Stufe vor dem riesigen Wohnzimmerfenster gemütlich, denn in einer Ecke hinter dem Vorhang hatte sie ihr Naschkasterl. Knabbergebäck war damals eine Seltenheit, Omilein hatte aber immer welches parat. Ob nur ich dies dermaßen als Rarität ansah, weil man mir im Alltag relativ gesundes Essen vorsetzte – von den Punschkrapferln und anderen alkoholischen Süßigkeiten mal abgesehen – oder ob es damals noch nicht so Usus war, dass man sich für jeden Fernsehabend mit Snips und Co eindeckte, weiß ich nicht.  Auf jeden Fall hatte Omi immer eine Packung Kartoffelchips auf Lager, von denen ich mir gelegentlich ein paar einverleiben durfte. Nicht viele, denn ich empfand sie als Kind als zu salzig, aber ein paar naschte ich schon, während ich auf erwähnter Stufe saß, auf der ich in Augenhöhe eine Glasvitrine sah. In diese starrte ich beim Knabbern gerne, denn dort befand sich ein Sammelsurium an Sachen. Undefinierbar zusammenge...

Wer's glaubt...!

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Ich bin mit sehr vielen, sehr schrägen Glaubenssätzen aufgewachsen. Diese rührten einerseits von einem gewissen, im Volk sehr verbreiteten Aberglauben, aber auch in festgefahrenen, nie richtig behirnten Ritualen oder Traditionen meiner Familie. Kirschen Kirschen waren meine ersten Feinde: Schon alleine der Verzehr war ein einziger zeitlicher Kampf, musste man doch das eventuell gleichzeitige Aufnehmen von Flüssigkeiten präzise koordinieren, damit die süße Frucht nicht zum bitteren Krampf werden würde. Zu Deutsch: niemals Kirschen essen und Wasser trinken! Der Teufel könnte einen holen. Man durfte weder eine Stunde vorher, noch eine Stunde nachher was trinken, schon gar nicht die Kirschen mit einem klaren Schluck in den Schlund befördern. So war es ein Drahtseilakt und bedurfte großer Planung, wenn Kirschenessen vom eigenen Baum angesagt war: Mutter schaute vom Fenster zu, wenn meine Freundinnen und ich uns zum Baum streckten, um ein paar Früchtchen zu ergattern. Sie machte eine gen...

Rosenkranz vs. Sex, Drugs and Rock'n Roll

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Ich war ein nicht sehr entspannter Teenager. Es hätte mich nervös gemacht, in der Schule nicht genug Leistung zu bringen oder meinen Eltern gegenüber schlimm, frech oder unfolgsam zu sein. Und es schwang immer die Angst mit, ausgelacht zu werden. Ich mied jegliche Menschenansammlungen wie Zeltfeste, Schulpartys oder Diskobesuche, ich hasste es, mit dem Mainstream zu schwimmen, sowohl was die Mode betraf, die aus Fuchsschwänzen als Schlüsselanhänger, Miniplis oder Pailletten-Netz-Shirts bestand als auch was Paarungsrituale anging, wonach man den Anleitungen der „Bravo“ zu folgen hatte und sich auf Biegen und Brechen mit spätestens 14 deflorieren lassen musste. Wenn möglich von einem Fuchsschwanzträger mit Vokuhila-Frisur und Jogging Highs. Igitt. Mich interessierten auch keinerlei Prestigeobjekte wie Mopeds, Lacoste-Poloshirts, Goldketterl oder Autos, ich wollte mich in der Gesellschaft einfach nur durchschlängeln und in Ruhe gelassen werden. Außerdem war ich ständig auf der Suche nac...

Schuhtick einer Hinkenden

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  Den Frühling mochte ich immer schon sehr. Wenn der Schnee im "Grobn" auf der Straße ungefähr im April oder Mai langsam zu schmelzen begann und man zwischen Asphalt und unterspülter Eisplatte mit einem lauten Kracher die letzten Reste vom Winter mit ein paar Fußtritten zerstören konnte. Dann war es Zeit für neue Schuhe. Weg mit den Winterstiefeln, rein in Halbschuhe oder, wenn man ganz mutig war, sogar schon ab und zu in Sandalen. Sommer war nämlich erst ab Juli. Also zwei Wochen im Juli, um exakt zu sein, denn ab 15. August begann es spätestens zu herbsteln und der Affenzirkus mit diesen nicht enden wollenden Wintern, in denen es waagrecht schneite, begann von vorne. Ich liebte die Schuhe der erwachsenen Damen. Wenn sie so dahinklapperten mit ihren Stöckeln und Schlapferln. Damals gab es noch sogenannte Töffler, das waren Pantoletten oder Clogs aus Holz mit Riemchen aus Leder oder Plastik. Und bei jedem Schritt hörte man ein wunderbares Geräusch, wenn die Fersen vom Holz ...

Krank

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  Kranksein ist nicht schön, damals nicht wie heute. Doch irgendwie habe ich meine grippalen Infekte von früher intensiver und langwieriger in Erinnerung, als ich sie als Erwachsene habe. Mit dem ersten Gruseln, sprich Schüttelfrost, wurde ich von Muttern auf Anraten der beiden Großmütter, die auch immer mit ihrem medizinischen Halbwissen beiseite standen, sofort ins Bett mit mehreren Decken gesteckt, bis ich meistens hoch hinauffieberte. Für die Nacht bekam ich wahlweise ein Kren-Ketterl oder Essig-Patscherl, während ich vor mich hin fantasierte und von abgebrochenen Geweihen träumte, die ich essen musste. Vielleicht etwas für den Psychoanalytiker. Mag sein. In diesem Fall aber Zeit für die Naturmedizin aus dem Hause Lotta. Kren-Ketterl? Essig-Patscherl? Das „Mexalen“ der 70er! Eine fiebersenkende Naturmethode, bei der man entweder alte Lumpen und Handtücher in Essigwasser tauchte und dem Patienten um die Füße wickelte oder wo man eine große Krenwurzen in kleine Scheiben schni...

Mein Onkelchen

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  Eine besonders interessante Erscheinung war mein Onkelchen. Also nicht mein richtiger Onkel, sondern eigentlich gar kein Blutsverwandter, den ich als Kind aber weder mit seinem Nachnamen ansprechen durfte – dies wäre zu unpersönlich gewesen – aber auch schon gar nicht bei seinem Vornamen, dies wäre wiederum zu frech rübergekommen. So behalf man sich in früheren Zeiten damit, dass man die Kinder lehrte, zu allen männlichen Bekannten der Familie „Onkel“ und zu den weiblichen „Tante“ zu sagen. So kam ich also zu meinem Onkelchen. Er war ein schräger Vogel, durch und durch: in seinen Bewegungen und Handlungen war er äußerst gemütlich, sein Wanst, der in einer „Bauchhose“ samt Hosenträgern versteckt war, kam immer schon als erstes um die Kurve und seinen Hut hatte er wohl immer auf. Zumindest in meiner Erinnerung. Seine Hemden waren zerknittert, nur den Sattel und Kragen bügelte er, darauf legte er Wert, den Rest hielt er für vernachlässigbar. Er saß oft stundenlag am Küchentisc...

Der Rossfleischhacker

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  Übers Essen im Allgemeinen, was gesund sein soll oder nicht, was einen nährt und schmeckt und um welchen Preis es für Tier, Mensch und Umwelt produziert wird, wurde wahrscheinlich schon so viel geschrieben und nachgedacht wie der Himmel Sterne hat. Und selbstverständlich möchte auch ich meinen Senf dazugeben. Sonntags gab es Fleisch, dienstags, mittwochs, donnerstags und samstags auch. Am Montag wurden die Reste gegessen – das Fleisch wurde hierzu raffiniert in Grenadiermarsch und Ritschert versteckt und wurde für mich im Prinzip noch eine größere Sucherei nach Flachsen und fetten Stücken wie an den anderen Tagen, wo man mir die Koteletts und Schnitzerl im Ganzen servierte. Freitags gab’s was Süßes oder Fisch. Ein Tag zum Aufatmen. Und ja, erraten: ich mag kein Fleisch. Von klein auf nicht. Nur war mir das so nicht bewusst. Und meinen Eltern anscheinend auch nicht. Schwein und Rind waren für mich schon kaum genießbar, doch da es in der Bezirkshauptstadt einen vielgerühmten un...

Es gehört viel mehr gemeckert

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Wie allgemein bekannt, gab es in den 70er und 80er Jahren ja noch keine Handys. Es waren gerade mal die Telefone bei uns im "Grobn" angekommen. Und auch da nicht überall. In meiner Familie natürlich nicht. „Mia brauch’n koa Tölefon!“, stießen meine Eltern des Öfteren vehement aus, und ich staunte nicht schlecht, als meine Mama das erste Mal irgendwo von einer Telefonzelle meinen Vater in der Arbeit anrief und dieser wirklich weit, weit weg war. Ich begann ihn nämlich nach dem Gespräch hinter der Zelle in den Brennnesseln zu suchen, und es kostete meine Mutter viel Überzeugungsarbeit, dass Vati nicht im Gebüsch hockte, sondern brav an seinem Schreibtisch. Mein Vater erzählte auch immer wieder die Anekdote von meinem Großvater, der seinerzeit die gesamte Straße zur nächsten Telefonzelle händisch ausgeschaufelt hatte, als meine Mutter zu mir in den Wehen lag, damit mein Vater die Rettung habe rufen können. Lange wurde daraufhin steif und fest in der Familie behauptet, man bräu...

Das andere Geschlecht und ein "Knigge"

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Mein Mütterlein lehrte mich schon in frühen Jahren, dass man sich stets nach dem „Knigge“ richten müsse. Ein Benimm-Dich-Buch, das durchaus hilfreich sein kann, wenn man so gar keine Ahnung von Anstandsregeln hat oder plötzlich in Kreisen verkehren muss, in denen man es sonst nicht gewohnt ist, eine Gabel in die Hand zu nehmen. Eine Lektüre, die sich ständig selber überarbeiten muss, weil sich Sitten und Bräuche schneller ändern als einem Schamhaare wachsen. Manches war damals schon überholt und noch aus Mamas 50er/60er Jahren, manches konnte man aber durchaus noch verwenden und verinnerlichen. Bei all den Tischregeln, Du-Wort-Hierarchien und Begrüßungshandküssen war aber eines stets klar: eine Frau von Welt wirft sich niemals – niiiiiemals – einem Mann an den Hals. Vornehme Zurückhaltung ist angesagt, kein derbes Vordringen, keine besonders große Aktivität, begonnen beim Grüßen. Kurzum: Man darf nicht „Buama-narrisch“ sein. Und so wartete ich eben ab. Ich wartete, bis mich ein Bursc...

Moderne Elektrogeräte

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Mein Vater hat mit Leidenschaft gut (und viel) gegessen. Und langsam. Er war ein Genießer. Und ständig auf der Suche nach neuen Küchengeräten. Mama sollte verschiedene Möglichkeiten kennenlernen. Schließlich war sie es, die am Herd stand. So kam es, dass er meiner Mutter zu jedem festlichen Anlass ein neues Küchengerät schenkte. Einen Plattengriller fürs sonntägliche Hühnchen, einen Toaster für den samtstäglichen Abendtoast oder einen Entsafter für den gesunden Drink zwischendurch. Beim Toaster freute sich meine Mutter noch einigermaßen und bereitete uns zig Sandwiches mit jeder Menge klein geschnittenem Knoblauch und Ketchup zu, die wir tonnenweise am Samstagabend in uns reinstopften. Beim Plattengriller wurde die Sache schon schwieriger, denn so ein Hähnchen mit Haut beginnt ja bald mal zu brutzeln und spritzen und versifft die ganze Küche von oben bis unten mit dicken Fettspritzern. Deshalb baute mein Vater aus dickem Karton einen faltbaren Paravent, den er vor dem Grillen aus der...

Viechereien

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Der Hühnerstall meiner Oma Diese Hühner! Schon immer stand ich fasziniert vor den Henderln meiner Oma und beobachtete, wie die Federn durch den lichtdurchfluteten Stall flogen und die einzelnen Staubkörnchen durcheinandergewirbelt wurden, wenn sie ordentlich aufbegehrten. Dem dahinbrabbelnden Gackern, das Musik in meinen Ohren war, lauschte ich gerne, es beruhigte mich. Aber auch die aufgeregten Laute, die sie nach dem Absetzen eines Eies oder irgendeiner Unregelmäßigkeit im Stall von sich gaben, gefielen mir. Kurzum: Ich liebe Hühner! Nicht so meine Mama. Mit ihr hatte ich manchmal die Aufgabe, das Federvieh vom Hühnergarten abends in den Stall zu lassen und dort zu füttern. Oder am Morgen. Dann war das Prozedere dasselbe, nur in umgekehrter Reihenfolge. Und das auch nur, wenn Oma nicht zuhause war. Sie hatte früher Ziegen, ein Schwein, Hasen, einige Hühner, eine Katze und Meerschweinchen. Letztere liefen allerdings irgendwann mal bei einem Freigang in der Dämmerung unter einen ...