Man wird ja bescheiden

Ja, ich weiß, „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr“. Aber wenn die Pandemie eines bei mir bewirkt hat, dann ist es besagte Bescheidenheit. Und Zufriedenheit mit den kleinen Dingen. Und Demut. Denn nichts ist mehr selbstverständlich. Das Gesicht haben wir alle verloren, versteckt hinter Masken, berühren dürfen sich nur mehr die Pommes auf den McDonalds-Plakaten und gemeinsam ein Gläschen trinken darf man nur mehr, wenn einem zuvor ein Staberl bis ins Hirn geschoben wurde.

Ich will mich nun keinesfalls über solche Maßnahmen aufregen, das liegt mir fern. Denn ich habe auch keine bessere Idee, wie man sonst die Sache in den Griff bekommen sollte. Also mach ich halt, so gut es geht, wie man mir befiehlt. Ich bleib ja bei Rot auch an der Ampel stehen und reg mich nicht auf, dass man meine Persönlichkeitsrechte damit einschränkt.

Nun aber ist es so, dass ich begonnen habe, mich irrsinnig über Kleinigkeiten zu freuen, da durfte ich z.B. bei einer Shiatsu-Massage meine Maske runternehmen, obwohl der Masseur die seinige anbehalten musste. „Man müsse die Reaktion des zu Massierenden im Gesicht sehen können“, heißt es im Gesetz. Juhu! Endlich jemand, der meine Mimik sehen will, endlich einer, dem es nicht egal ist, welche Grimasse ich unter meiner Maske ziehe, endlich einer, der auf die gute alte Kommunikation der Körpersprache zurückgreift! Was für ein Feeling, was für eine Massage – zwei Tage später noch war ich wie lahmgelegt, mein Lebermeridian hat gejubelt! Ich bin ja bescheiden.

Apropos Leber: Jüngst trank ich einen Kinderpunsch. Auf der Straße! Mit Freundinnen. Aus Pappbechern prosteten wir uns in der Luft zu, natürlich 50 m vom ausschenkenden Lokal entfernt. Aber wir taten es. Es kamen Erinnerungen hoch, wie es damals war, anno dazumal, sozusagen. Als man noch am Hauptplatz stand und sich auf den Faschingsumzug freute oder einem Konzert lauschte. Fast so war es wieder, jüngst, als ich diesen Kinderpunsch trank…man wird ja, wie gesagt, sehr bescheiden.



Und wie viele Männer in letzter Zeit irgendwas in mich reingesteckt haben – unglaublich! Da war als erstes der Apotheker, der mit seiner langen Stange in mir bohrte, dass es mir schien, als hole er mir das letzte bisschen Liquor aus meinem Kopf. Danach folgte der Zahnarzt, der aufs Orale ganz versessen war und schließlich noch ein junger Sanitäter, der es gleich in beiden (Nasen-)Löchern trieb. Die pikanten Details vom anschließenden Frauenarztbesuch und das dazugehörige Kopfkino erspare ich dem werten Leser.

Doch dann kam der Höhepunkt: es hat neulich jemand gewagt mich zu umarmen!! Frisch getestet beide, eine feine Umarmung zum Abschied. Was kann ich euch sagen: einen Orgasmus bekam ich. Einen multiplen. Man wird ja bescheiden.

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